Der Dorfplatz hatte in den Rundlingen zu allen Zeiten eine herausragende Bedeutung. Nur über den Dorfplatz konnten die Bauern ihre Hofstelle erreichen. Er war der einzige Zuweg von den vor dem Dorf liegenden Äckern zu ihrem Hof. Jeder Bauer nahm dabei den kürzesten, geraden Weg direkt zu seiner Groot Dör oder zu seinem Wirtschaftshof. Der Dorfplatz war gezeichnet durch die Spuren der täglich dort verkehrenden Ackerwagen. Fotografien aus dem 19. Jahrhundert zeigen die Dorfplätze selten mit Baumbestand, aber immer schlammig aufgewühlt mit Misthaufen vor den einzelnen Höfen.
Auch wenn die Dorfplätze in ihrer Hauptfunktion als Zuwegung für die Höfe dienten, waren sie auch ein Ort für Misthaufen und zeitweilige Ablage von Stroh und anderen Materialien. Auf den freien Dorfplätzen gab es in früheren Zeiten kleine Fachwerkgebäude, Burstav genannt, in denen die Bauernriege ihre gemeinsamen Arbeiten und die Belange des Dorfes besprachen. Da zum Arbeiten aber auch das gemeinsame Feiern gehörte, waren diese Treffpunkte in den Augen der Kirche nicht gern gesehen, wie den Visitationsberichten der evangelischen Kirchen nach der Reformation zu entnehmen ist. Die neu am Ortseingang errrichteten Gastwirtschaften übernahmen die Funktion der Burstaven. Zum Teil wurden sie noch eine Zeit lang als Haus für den gemeinsamen Dorfhirten genutzt.
Burstav (rekonstruiert D. Wübbenhorst) Gasthaus in Lübeln („Karnickelkrug“)
Bis zum 17. Jahrhundert sind auch auf dem Dorfplatz aufgerichtete Kreuzbäume und Kronenbäume überliefert. Der Kreuzbaum, ein geschälter und beschlagener Eichenstamm, oben versehen mit Querhölzern und einem hölzernen Hahn, wurde im Juni aufgestellt und blieb solange auf dem Dorfplatz stehen, bis er verfallen war und ein neuer errichtet werden musste. Seine genaue Funktion ist nicht überliefert. Etliche als heidnisch bezeichnete Bräuche, wie das Segnen des Viehs sind bekannt. Im August soll auch ein Kronenbaum aufgestellt worden sein, eine Birke mit Krone. Dieser Baum wurde laut Überlieferung nur von Frauen aus dem Busch geholt und auf den Dorfplatz getragen.
Fast auf jedem Dorfplatz gab es früher eine sogenannte Notkuhle für Feuerlöscharbeiten und auch als Tränke für das frei auf dem Dorfplatz herumlaufende Federvieh. Mit Aufkommen der Feuerwehren entstanden in etlichen Rundlingen am Ortseingang oder auf einer freien Hofstelle Feuerwehrgebäude in Fachwerk, später auch aus Backstein.
Milchbank + Misthaufen in Jameln Milchbank in Predöhlsau Milchbank als Jugendtreff Klein Breese Milchbank Rehbeck
An 1900 gab es durch die neu entstandenen Mölkereien auf jedem Dorfplatz einen Platz, an dem die Milchkannen der Bauern zum Abholen für die Weiterverarbeitung in der Molkerei morgens abgestellt wurden. Diese Milchbänke sind in einigen Rundlingen bis heute erhalten. Früher waren sie auch Treffpunkt der Bauern zum morgendlichen Informationsaustausch (Bauern tratschen ja nicht!) oder auch als Treffpunkt für die gemeinsamen Arbeiten am Dorfplatz, an den Wegen, Gräben und Brücken, die in der Zuständigkeit der Bauernschaft lagen. Jeder Hof hatte für diese Arbeiten jemanden abzustellen. Unter „Up Dörp“ verstand man den Dorfplatz.
Noch heute spielt der freie Dorfplatz im Rundling eine besondere Rolle. Die Misthaufen sind verschwunden. Vom Ackerwagen zerfahrene Matschplätze gibt es auch nicht mehr. Zumindest die Hofeinfahrten wurden traditionell mit Feldsteinen befestigt, damit man trockenen Fußes ins Haus kommen konnte. Heute führen Straßen auf den Dorfplatz, die sich den veränderten Bedingungen in der Landwirtschaft mit schwerem Gerät und privaten Personenkraftwagen angepasst haben. Grüne Rasenflächen ersetzen den Sandplatz, Hausbäume kamen in Mode, und Eichen, Kastanien, Linden und Birken stehen heute auf vielen Dorfplätzen. Der Dorfplatz gehört nach wie vor dem Dorf, das heißt allen Bewohnern im Dorf bzw. der Gemeinde. Aber die Gemeinden überlassen die Pflege des Dorfplatzes in der Regel den ansässigen Bewohnern geben ein kleines Entgeld.
Nach gemeinsamer Arbeit… Herbstputz in Jameln Weihnachtsdeko auf dem Dorfplatz Neu gestalteter Dorfplatz in Jabel Neu gestalteter Dorfplatz in Satemin Dorfplatz in Prießeck
Spielten früher die Kinder des Dorfes überall auf den Hofstellen und im gesamten Dorfraum, so brachte ein anderes Bild von Kindheit den Gedanken von Kinderspielplätzen auf. Auf so manchem Dorfplatz stehen nun Spielgeräte, mal dezent in Holzbauweise, mal in Plastik farblich herausgeputzt. Spielplätze, die von den Kindern mehr oder weniger genutzt werden. Andere Rundlinge haben die Milchbänke auf ihrem Dorfplatz durch Sitzbänke ersetzt oder sogar überdachte Sitzgelegenheiten errichtet. In anderen Rundlingen ließ man jeden Baum wachsen, wodurch die ursprünglich freien Dorfplätze überfrachtet sind mit Großgrün. Die Funktion des Dorftreffs haben die Plätze aber bis heute behalten. In neuerer Zeit werden die Dorfplätze als sozialer Treffpunkt wiederentdeckt, da die Gastwirtschaften nicht mehr existieren. Gemeinsame Veranstaltungen wie Grillabende, Sommerfeste, Weihnachtsmärkte und Spielplatz für Jung und Alt sind ein neuer Trend – und manche Dorfplätze werden mehr „möbliert“, als zu ihrer Größe und Form passt. Aber die mit Jägerzaun und „Betreten nicht erlaubt“ beschilderten Dorfplätze einer früheren Phase von Dorfverschönerung waren auch nur eine kurze Modeerscheinung – und stehen heute wieder Jedermann zum Betreten offen!